Digitale Resilienz in turbulenten Zeiten

Wie mittelständische Fertigungsunternehmen die Trendwende in Auftragseingängen meistern können.

Wie der VDMA berichtet, verlangen die aktuellen Herausforderungen in der Maschinenbauindustrie, geprägt von rückläufigen Auftragseingängen und Unsicherheiten bei der Kalkulation von Großanlagenbestellungen, mittelständische Fertigungsunternehmen einiges ab. Eine Lösungsstrategie kann hier die Stärkung der digitalen Resilienz sein. Innovative Technologien und digitale Transformation können dazu beitragen, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu überwinden und die Zukunft der Branche aktiv zu gestalten.
Die Maschinenbauindustrie steht derzeit vor komplexen Herausforderungen. So berichtet der VDMA, dass die Inlandsnachfrage mit -15 % weiterhin sehr schwach ist. Gleiches gelte für die Auslandsnachfrage mit -13 %. Eine Trendwende im Auftragseingang sei noch nicht in Sicht. Grund für die nachhaltige Schwächung der Auftragslage sieht VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann in den vielen aktuellen Herausforderungen, wie den anhaltend hohen Zinsen, der hohen Inflationsrate, dem Krieg in der Ukraine und der Lage im Nahen Osten. Bei den Auftragsbeständen sorgten coronabedingte Lieferengpässe für volle Bücher. Die Verteilung dieser Bestände unterscheide sich jedoch stark – in einer Befragung hätten rund 32 % der Unternehmen angegeben, bis 2024 noch gut ausgelastet zu sein, und die verringerten Auftragseingänge somit gut verkraften zu können. 22 % geben jedoch an, dass ihnen ungewisse Zeiten bevorstehen. Es wird deutlich, dass externe Faktoren, wie z. B. hohe Zinsen, Inflationsraten und globale Konflikte die Maschinenbauindustrie negativ beeinflussen. Eine digitale Strategie kann dazu beitragen, die Auswirkungen dieser Faktoren zu minimieren und die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Einflüssen zu stärken.
Erschließung neuer Potenziale im After-Sales-Geschäft
Ein vielversprechender Ansatz zur Bewältigung der angespannten Auftragslage besteht darin, verstärkt auf das After-Sales-Geschäft zu setzen. Hierbei liegt der Fokus auf Dienstleistungen, die dem Kunden ein effizienteres und kosteneffektiveres Arbeiten ermöglichen. Durch diese Strategie lassen sich neue Geschäftspotenziale bei bestehenden Kunden erschließen, die Kundenbindung stärken und eine Differenzierung vom Wettbewerb erreichen. Beispielsweise können Digitalisierungslösungen für einen effizienten Remote-Support diesen Geschäftsbereich attraktiver und somit gewinnträchtiger machen.
Die Verbesserung der Datenbasis mittels eines PDM- oder PLM-Systems kann zudem das Ersatzteilgeschäft ankurbeln, indem Kunden die Möglichkeit erhalten, Ersatzteile bequem online zu bestellen. Eine weiterführende Überlegung geht dahin, mithilfe von Sensordaten oder Informationen zu Standzeiten die Abnutzung von Maschinen und Anlagen zu schätzen und dem Kunden auf Grundlage dieser Daten proaktiv Ersatzteile und Serviceleistungen anzubieten.
Neue Wege im Produktmanagement gehen
Auch im Produktmanagement kann mithilfe digitaler Lösungen an einigen Stellschrauben gedreht werden. Ein zentraler Ausgangspunkt liegt dabei in der Analyse der Gründe, warum Kunden weniger kaufen. Sollte mangelndes Kapital eine der Hauptursachen sein, könnte eine alternative Überlegung darin bestehen, Maschinen nicht nur zum Kauf anzubieten, sondern auch als Dienstleistung im As-a-Service-Modell bereitzustellen. Eine weitere effektive Maßnahme zur Steigerung der Rentabilität ist die kritische Überprüfung und Bereinigung des Produktportfolios. Es gilt, Kostentreiber zu identifizieren, die nicht ausreichend Margen generieren, und diese gezielt zu minimieren. Dies schafft nicht nur Raum für profitablere Angebote, sondern optimiert auch die Ressourcennutzung und Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Marktes.
Aus alt mach neu
Ein weiterer interessanter Ansatz im Maschinenvertrieb liegt in der Vermarktung von Retrofits, also der Modernisierung oder dem Ausbau bestehender Anlagenteile. Um diese Strategie erfolgreich umzusetzen, ist eine fundierte Datenbasis unerlässlich. Durch diese lassen sich Modernisierungsmaßnahmen effizient im CAD planen und sicherstellen, dass neue Maschinen oder Anlagenteile wie geplant mit der bestehenden Infrastruktur zusammenarbeiten und dem Kunden den versprochenen Nutzen bringen. Ein PDM- / PLM-System ermöglicht diese hohe Datenqualität. Es dokumentiert nicht nur zuverlässig den Auslieferungsstatus „as-delivered“ mit der jeweils korrekten Teileversion, sondern bildet auch den „as-maintained“ Zustand, also die Änderungen im Betrieb durch Anpassungen, Optimierungen, Umbauten oder Wartung ab. Auf diese Weise entspricht das digitale Modell vollständig der realen Maschine beim Kunden, was die digitale Planung der Modernisierungsmaßnahme ermöglicht.
Sollte eine solche Datenbasis fehlen, etwa weil es sich um Alt- oder Fremdmaschinen handelt, ist ein effizientes und umfängliches Aufnehmen von Anschluss- und Kollisionsmaßen nötig. Hier kann 3D-Scan unterstützen, da mit dieser Technologie die aktuelle Situation in einer Maschine oder Halle beim Kunden zeitschonend, hochpräzise und jederzeit nachvollziehbar dokumentiert werden kann. Die gewonnenen Daten können dann für die Entwicklung von Retrofits oder die Anbindung bestehender Fertigungsanlagen genutzt werden – ohne das Risiko von Messfehlern, unzureichender Maßaufnahme oder Fehlern beim Notieren und Übertragen der Informationen.
Innovative Ansätze im Verkaufsprozess
Herausfordernde Zeiten lassen sich zum Anlass nehmen, den Verkaufsprozess eingehend zu analysieren und zu verbessern. Der Schwerpunkt sollte hier auf der Angebotsphase liegen, in der unmittelbares Vertrauen zum Kunden aufgebaut und potenzielle Hürden abgebaut werden sollten. Eine Schlüsselkomponente hierbei ist die rasche und präzise Angebotserstellung, die durch Variantenmanagement und die damit einhergehenden Möglichkeiten der Visualisierung unterstützt werden kann. Diese Maßnahmen ermöglichen nicht nur ein breiteres Angebot und maßgeschneiderte Lösungen, sondern auch einen höheren Marktanteil und tragen dazu bei, die verringerte Gesamtmenge an Aufträgen zumindest teilweise auszugleichen.
Anforderungsmanagement sorgt für Bewertbarkeit
Dem Problem anhaltender Lieferschwierigkeiten könnte mit der Suche nach alternativen Lieferanten begegnet werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Anpassung von Teilen und Komponenten, sodass sich die Anzahl möglicher Lieferanten erhöht. Hier kommt Anforderungsmanagement ins Spiel, indem es ermöglicht, die Änderungen einzelner Anforderungen inklusive deren Auswirkungen transparent nachzuvollziehen und somit zu bewerten. Darüber hinaus kann z. B. bei Elektro-Komponenten schnell der Aufwand abgeschätzt werden, welcher mit einem Wechsel des Lieferanten bzw. Herstellers einhergehen würde.
Auf zu neuen Märkten
Es kann auch ein sinnvoller Ansatz sein, neue Märkte oder Brachen für die eigenen Produkte zu erschließen. Hierbei unterstützt ein Produktmanagement, welches die geeigneten Potenziale aufdecken und den Aufwand für den Markt oder die Branche bewerten kann. Um diese Bewertung transparent und datenbasiert zu gestalten, kann Anforderungsmanagement unterstützen. So wird schnell deutlich, welche zusätzlichen Anforderungen ein Produkt abdecken muss bzw. welche bereits abgedeckt sind, und was genau zu tun ist, um eine Reife für den neuen Markt oder die neue Branche zu entwickeln.
Die Schlüsselrolle der Digitalisierung
Es wird deutlich, dass die digitale Transformation der Schlüssel zur Bewältigung aktueller Herausforderungen und zur Sicherung einer erfolgreichen Zukunft sein kann. So können Unternehmen durch die gezielte Implementierung digitaler Lösungen nicht nur auf die gegenwärtige Spannungslage reagieren, sondern auch langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Ein Digitalisierungsberater, wie die ISAP, kann Ihnen dabei helfen, die ideale Strategie für Ihr Unternehmen aufzusetzen. Wir beraten Sie gerne unverbindlich.

12. September 2023