Warum ISO GPS und MBD nur zusammen ihr volles Potenzial entfalten

Markus Tatzel
27. Februar 2025

Inkonsistente Daten zwischen 3D-Modell und Zeichnung führen zu Fehlern? MBD und ISO GPS schaffen Klarheit und optimieren Fertigungsprozesse.

Schluss mit Medienbrüchen: Model Based Definition (MBD) und ISO GPS bringen alle produktrelevanten Informationen direkt ins 3D-Modell – für weniger Missverständnisse und mehr Effizienz.
Schluss mit Medienbrüchen: Model Based Definition (MBD) und ISO GPS bringen alle produktrelevanten Informationen direkt ins 3D-Modell – für weniger Missverständnisse und mehr Effizienz.

In der modernen Fertigung spielt die eindeutige und vollständige Beschreibung von Bauteilen eine entscheidende Rolle. Ein zentrales Problem vieler Unternehmen besteht im sogenannten Medienbruch zwischen 3D-Modellen und 2D-Zeichnungen. Oft führen inkonsistente Daten zwischen Modell und Zeichnung zu Missverständnissen, Fehlern und erhöhtem Aufwand. Hier setzt die Model Based Definition (MBD) an: Sie integriert alle produktrelevanten Informationen direkt im 3D-Modell und ermöglicht so eine durchgängige digitale Prozesskette. Gleichzeitig sorgt das Geometrische Produktspezifikations-System (ISO GPS) für die klare und standardisierte Kommunikation geometrischer Anforderungen, wodurch Missverständnisse vermieden werden. Doch erst in Kombination entfalten beide Komponenten ihr volles Potenzial und steigern Effizienz sowie Qualität. 
 

Was ist Model Based Definition (MBD)? – Die digitale Revolution 

In der traditionellen Konstruktion wurden technische Zeichnungen in 2D erstellt und dienten als Grundlage für Fertigung und Qualitätssicherung. Dieser Ansatz ist jedoch fehleranfällig, da sich Änderungen nicht immer konsistent in allen Dokumenten widerspiegeln. Auch heute in der Konstruktion mit 3D-Modellen ist die 2D-Zeichnung noch immer vorherrschend.  

Das Konzept der modellbasierten Definition (Model Based Definition / MBD) schafft hier Abhilfe: Dabei werden alle relevanten Produktinformationen direkt im 3D-Modell hinterlegt, wodurch das Modell selbst zur einzigen und stets aktuellen Datenquelle wird. Diese Vorgehensweise reduziert Fehler, beschleunigt Entwicklungsprozesse und ermöglicht eine nahtlose Integration in moderne digitale Fertigungsprozesse wie CAD, CAM und CAQ. Zudem erleichtert MBD die Automatisierung, da Maschinen und Software direkt auf das Modell zugreifen können, ohne zusätzliche manuelle Interpretationen oder Zeichnungsableitungen vornehmen zu müssen. 

Ein weiterer Vorteil von MBD ist die Möglichkeit, simulationsgestützte Analysen frühzeitig im Entwicklungsprozess durchzuführen. Dies führt zu besseren Designentscheidungen und optimierten Fertigungsprozessen, da potenzielle Probleme bereits in der Konstruktionsphase erkannt und vermieden werden können. Damit wird MBD zur zentralen Säule einer durchgängigen, digitalen Fertigungsstrategie.

Was ist ISO GPS? – Ein wachsender Standard in der Industrie 

ISO GPS (Geometrische Produktspezifikation) ist ein weltweit anerkannter Standard, der die Definition von geometrischen Anforderungen widerspruchsfrei präzisiert. Die Norm stellt sicher, dass Maße, Form- und Lagetoleranzen sowie weitere geometrische Anforderungen eindeutig beschrieben werden. Durch einheitliche Vorgaben für die geometrische Spezifikation können Missverständnisse zwischen Konstruktion, Fertigung und Qualitätssicherung vermieden werden. Bildlich gesprochen ist ISO GPS eine international einheitlich verständliche "Sprache" für geometrische Produktinformationen. ISO GPS sorgt für eine einheitliche Qualität, unabhängig vom Produktionsstandort oder Zulieferer. Ohne eine standardisierte Kommunikation über Geometrien und Toleranzen kann es zu Interpretationsspielräumen kommen. Diese wiederum können zu Fehlern in der Produktion und vermeidbarer Nachbearbeitung führen. 

Besonders in globalen Fertigungsnetzwerken, in denen verschiedene Unternehmen an einem Produkt arbeiten, ist die einheitliche Interpretation von Toleranzen und geometrischen Spezifikationen essenziell. ISO GPS bietet hier eine verlässliche Grundlage, um Bauteile mit gleichbleibender Qualität und Passgenauigkeit weltweit herzustellen.

Die Synergie von ISO GPS und MBD 

ISO GPS und MBD sind also essenzielle Bausteine für eine durchgängige digitale Prozesskette. Doch erst in Kombination entfalten sie ihr volles Potenzial: Während ISO GPS die klare und normgerechte Beschreibung von Geometrien und Toleranzen definiert, können diese Informationen dank MBD auch direkt im 3D-Modell hinterlegt werden. Separate 2D-Zeichnungen sind daher nicht mehr nötig, somit werden mögliche Inkonsistenzen eliminiert. Das Ergebnis ist eine reibungslose Kommunikation zwischen Konstruktion, Fertigung und Qualitätssicherung, da alle Beteiligten auf dieselbe, immer aktuelle Datenbasis zugreifen können. 

Auch die Qualität automatisierter Fertigungsprozesse wird durch die Integration gesteigert, da Maschinen direkt auf die hinterlegten ISO GPS-Daten im 3D-Modell zugreifen können. Dies reduziert nicht nur Fehlerquellen, sondern beschleunigt auch die Produktion, da weniger manuelle Prüfungen und Anpassungen erforderlich sind.
 

Gemeinsam stärker: Sechs Vorteile von ISO GPS und MBD in Kombination  

1. Eindeutigkeit und Konsistenz: Indem alle Produktinformationen zentral im 3D-Modell hinterlegt und mittels ISO GPS normgerecht beschrieben werden, können Unstimmigkeiten vermieden werden. Alle Beteiligten – von Konstrukteuren über Fertigungsingenieure bis hin zu Qualitätsprüfern – nutzen dieselbe verlässliche Datenquelle – weltweit. 

2. Effizienzsteigerung: Da sich alle Informationen im digitalen Modell befinden, entfallen redundante Dokumentationsschritte. Dies reduziert den Aufwand für Konstrukteure, erleichtert das Änderungsmanagement und verhindert Fehler durch veraltete oder abweichende Zeichnungen. 

3. Verbesserte Zusammenarbeit: Teams aus verschiedenen Abteilungen und Standorten greifen auf dieselben digitalen Modelle zu, was Abstimmungen vereinfacht. Lieferanten und Partnerunternehmen können ebenfalls direkt auf die standardisierten Informationen zugreifen. 

4. Kostenreduktion: Fehlerhafte Interpretationen und Nachbearbeitungen werden durch die exakte Definition von Anforderungen minimiert. Dadurch sinken die Produktionskosten, da Ausschuss und Korrekturen reduziert werden. 

5. Nahtlose Integration in digitale Prozesse: MBD und ISO GPS ermöglichen eine durchgängige Automatisierung, indem CAD-, CAM- und CAQ-Systeme direkt auf die Modellinformationen zugreifen. Dies beschleunigt die Produktion, optimiert die Qualitätskontrolle und verbessert die Rückverfolgbarkeit von Bauteilen. 

6. Optimierte Qualitätssicherung: Durch die Kombination aus standardisierten GPS-Normen und digital hinterlegten MBD-Daten können Prüf- und Qualitätssicherungssysteme effizienter arbeiten. Konstruktionen lassen sich gezielt überwachen, was die Einhaltung der Spezifikationen verbessert und Ausschuss reduziert.

Fünf Herausforderungen auf dem Weg zu MBD und ISO GPS  

Die Einführung von MBD und ISO GPS bringt einige Herausforderungen mit sich, die Unternehmen strategisch angehen müssen: 

1. Prozessanpassungen: Bestehende Abläufe müssen überarbeitet werden, um eine reibungslose Integration in die digitale Fertigungskette zu ermöglichen. 

2. Trainingsbedarf: Mitarbeitende müssen für den Umgang mit den neuen Technologien und Standards qualifiziert werden. 

3. Systemkompatibilität: Die verwendeten CAD-, CAM- und CAQ-Systeme müssen MBD- und ISO GPS-kompatibel sein. 

4. Lieferantenintegration: Externe Zulieferer müssen mit den neuen Spezifikationen vertraut gemacht und eingebunden werden. 

5. Investitionen in digitale Werkzeuge: Die Implementierung moderner Soft- und Hardwarelösungen ermöglicht Unternehmen eine effektive Nutzung von MBD.

ISO GPS & MBD: Wer das volle Potenzial nutzen will, braucht beides 

Die Kombination von Model Based Definition und ISO GPS ist der Schlüssel zu einer zukunftssicheren, digitalen Fertigung. Unternehmen, die frühzeitig auf diese Technologien setzen, profitieren von höherer Datenqualität, geringeren Kosten und einer optimierten Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. MBD stärkt die Umsetzung von ISO GPS durch eine durchgängige digitale Informationskette, die Fehler minimiert und den Austausch vereinfacht. 

Da immer mehr Unternehmen diese Standards implementieren, ist die Anpassung daran für Zulieferer ein Muss, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. MBD und ISO GPS schaffen die Grundlage für eine fehlerfreie Produktion, schnellere Markteinführung neuer Produkte und eine nachhaltige Qualitätssicherung. Der digitale Zwilling ist die Zukunft – und MBD & ISO GPS sind entscheidende Bausteine dafür.

Solid Edge Roundtable: MBD & ISO GPS  

Arbeiten Sie mit Solid Edge und möchten MBD sowie ISO GPS in Ihrem Unternehmen umsetzen? Dann nehmen Sie am Solid Edge Roundtable am 13. März 2025 teil! In dieser kostenlosen Eventreihe bringen wir Anwender, Experten und Siemens-Produktverantwortliche an einen virtuellen Tisch. Ihr Feedback fließt direkt in die Weiterentwicklung von Solid Edge ein.

Neben der generellen Arbeit mit Solid Edge werden diesmal diese Themen zusätzlich besprochen: 
- Model Based Definition (MBD) – Herausforderungen auf dem Weg zur papierlosen Fertigung
- ISO GPS & Standardisierung – Relevante Normen & Herausforderungen bei der Umsetzung
- Solid Edge-Entwicklung – Welche Funktionen erleichtern den Umstieg auf MBD? 

Jetzt anmelden und die Zukunft von Solid Edge aktiv mitgestalten!  

FAQ – Häufig gestellte Fragen  

Welche Vorteile bietet ISO GPS in Verbindung mit MBD? 
ISO GPS sorgt für eine einheitliche Definition geometrischer Anforderungen, während MBD diese Standards direkt in das 3D-Modell integriert. Dies reduziert Interpretationsspielräume und sorgt für eine durchgängige digitale Prozesskette. 

Bedeutet MBD Mehrarbeit für mich als Konstrukteur?  
Im ersten Schritt bleibt der Aufwand für den Konstrukteur in etwa gleich, da die Informationen entweder auf die 2D-Zeichnung oder in das 3D-Modell übertragen werden müssen. Durch die Verwendung von PMI werden relevante Maße, Toleranzen und Fertigungsanweisungen direkt im 3D-Modell hinterlegt, wodurch manuelle Übertragungsfehler reduziert werden und die Nacharbeit minimiert wird. Langfristig spart MBD also Zeit, da Änderungen einfacher umgesetzt und konsistenter dokumentiert werden. 

Müssen Konstrukteure ihre Herangehensweise für MBD grundlegend ändern? 
Nein, denn statt klassischer Zeichnungsansichten, Vorder-, Seiten- und Draufsicht sowie Einzelheiten und Schnitte, werden PMI-Modellansichten definiert. Diese sind zwar nicht direkt an die Projektionsmethode gebunden, lassen sich aber ähnlich wie Zeichnungsansichten interpretieren. 

Wie wirkt sich die Kombination von ISO GPS und MBD auf die Fertigung aus? 
Die Implementierung führt zu weniger Missverständnissen und höherer Effizienz in der Produktion. Prozesse werden klarer definiert und automatisierte Fertigungssysteme können zuverlässiger auf präzise Daten zugreifen. 

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